Hartmuth Malorny
Wendekreis der U-Bahn
Amor, Libido und Illusionen
244 S., 13,90 EUR
ISBN 3-937821-03-1

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Darsteller:
Harry (sexsüchtig), Kerstin (sexsüchtig), Monika (verklemmt), Sonja (minderjährig), Melanie (bildhübsch), Beate (frustriert) – Außerdem: eine reiche Trulla, ein perverser Dichter, interessante Gestalten.
Handlung:
Harry putzt wochentags die Bahnsteige einer U-Bahn-Station und unterhält an den Wochenenden eine Dreiecksbeziehung mit Kerstin und Monika. Seine Libido treibt ihn zusätzlich zu seiner Chefin und Kerstins Tochter. Als die neue Kollegin Melanie auftaucht und Harry seine eigentliche Bestimmung findet, könnte alles gut werden. Doch die Gier nach Sex verlangt ihre Opfer.

Ein deep red productions-Roman des »U-Bahn-Bukowski« (ZDF) und ehemaligen Straßenbahnfahrers aus Dortmund.

 

Hartmuth Malorny,
geb. 1959 in Wuppertal,
lebt noch

Foto: Roberto Tarallo

www.h-malorny.de

 

 

 

Textprobe:

Ich steckte in Zweifeln über das, was zwischen uns lief. Ich erzählte ihr etwas über meine berufliche Tätigkeit, was sich jedoch nach einem Dutzend Briefen verlor – kein Interesse konnte so groß sein, um genauer erfahren zu wollen, wie man einen Bahnsteig säubert. Den größten Teil des Lebens verschwieg ich oder baute neue Legenden. Eigentlich weiß niemand, wer ich wirklich bin. Ich weiß es selbst nicht.



REZENSIONEN

Mit Bukowski durch's Feuer
Hartmuth Malorny illustriert in seinem neuen Roman Wendekreis der U-Bahn ganz im Stile von seinem Vorbild Bukowski die unersättliche Gier nach Sex.

Der Dortmunder Ex-Straßenbahnfahrer Hartmuth Malorny (Jahrgang 1959) zeigt in einem gelungenen Cocktail aus Erotik und anderen Exzessen die optimistische Seite seiner skurrilen, hochprozentigen Lebensphilosophie. Ähnlich wie in den zwei vorangegangenen Romanen Die schwarze Ledertasche und Noch ein Bier, Harry?, schlittert der Antiheld Harald Malowsky auch diesmal von einer Bettgeschichte zur nächsten, doch mutiert er hier vom gescheiterten Reinigungsmann zum erfolgreichen Firmengründer einer Pornofilmproduktions-gesellschaft, die sich deep red productions nennt. Er dreht einen von seinen Frauen finanzierten Hardcorefilm, der allerdings bei der Premiere vor der Elite des Pornobusiness wegen seiner allzu ästhetischen Bilder durchfällt. Die weiblichen Produzentinnen beschließen den Film vor dem totalen Flop zu retten und greifen zu einem Trick. Um die Boulevardpresse zu ködern, wird Harry kurzum durch eine Regisseurin ersetzt, der zu diesem Zweck eine mysteriöse Biographie angedichtet wird. Sie heiße Sylvia Dolores, sei Mitte der 80er Jahre führend in der feministischen Bewegung Italiens tätig gewesen und habe deswegen sogar ein Jahr im Gefängnis verbracht.

In keinem seiner Romane kommt Malorny seinem Vorbild Bukowski so nahe wie in diesem. Gekonnt setzt er im Wendekreis der U-Bahn den Perspektivenwechsel ein, was den Erzählduktus facettenreicher werden lässt. Der Wendekreis der U-Bahn besitzt an vielen Stellen mehr Leichtigkeit als seine Vorgänger. Das Säubern einer U-Bahn-Station wird virtuos zu einer Kunst erhoben. Der Leser folgt im Sog des alkoholischen Buches Harrys Libido durch den Nebel des Whisky- und Bierdunstes und erliegt der Faszination eines Mannes, der trotz seiner durch eine schonungslose Fäkalsprache kaschierten Zerbrechlichkeit ein Symbol der Rebellion bleibt. Malornys alter ego ist ein sexbesessener Trinker mit schöner Seele, der das Unaussprechliche, was Frauen eigentlich von Männern wollen, schwitzig-heiß verzweifelt und dabei ehrlich und direkt in Worte fassen kann. Mehrere Frauen leisten ihm in seiner existentiellen Einsamkeit Gesellschaft: Kerstin, Monika, Sonja, Beate und besonders Melanie, in die sich Harry schließlich verliebt. Diese Beziehung entwickelt sich, wie so oft auch bei Bukowskis melodramatischen Fickgeschichten, nicht ohne eine gewisse Würde. Und wie bei Bukowski wird auch bei Malorny das bürgerliche Leben mit all seinem Komfort und seinen Konventionen abgelehnt. »Statt im Unterhemd, sitze ich im T-Shirt vor dem Tisch, statt auf öliges Butterbrotpapier, schmiere ich meine Sätze in den Computer. Bukowski ist tot, ich bin erst nahe dran. Der Rest ist eine Art Seelenverwandtschaft, also keine gerade Linie im Stammbaum. Da ich keinen Psychoanalytiker habe, weiß ich nicht, was ich will«, antwortet der Autor auf meine Frage nach seinem Vorbild. Der Wendekreis der U-Bahn spielt größtenteils in Malornys Heimatstadt Dortmund, das nicht gerade glänzend wegkommt. Es wird als grau beschrieben, legt Wert auf Sauberkeit und schläft, wenn in Afrika gehungert wird. Der Protagonist versucht infolgedessen seinem Randfigurendasein als erfolgloser Regisseur zu entfliehen und die Ruhrgebietskulisse gegen ein mediterranes Flair einzutauschen. Es zieht ihn über die Schweiz zuerst nach Turin, dann weiter nach Genua, um schließlich in Rom, der offenen Stadt Rossellinis, ganz wie in einem neorealistischen Film mit der nackten Wirklichkeit, in Form seiner Teenagergeliebten Sonja, die ihm nachgereist ist, konfrontiert zu werden.

Dem Autor gelingt es in diesem Roman, etwas zu vermitteln, das über eine banale Geschichte von Gier nach Sex und Selbstzerstörung hinausgeht: Ob jemand ein Künstler ist, entscheidet sein Können und nicht das volle Bankkonto. Oder, um es mit dem »dirty old man« auszudrücken: »Das, was wirklich zählt, ist, wie du es schaffst, durchs Feuer zu laufen.«
Sabine Scholz

Wendekreis der U-Bahn (VTT-Verlag, 13,90 Euro) von Hartmuth Malorny, einem der Urtiere der Social-Beat-Szene, gleicht wie seine Trinkerchronik Noch ein Bier, Harry? einem Glas Schwarzgebrannten im Keller eines Jugendzentrums irgendwo am Rand des Ruhrgebiets. Ganz strikt und wirklich nur für Leute, die nach dem zehnten Bukowski noch nicht den Rachen voll genug haben. Wem Djian zu verwässert vorkommt, wer es heftiger mag, wer lachen kann über das Dilemma des Protagonisten zwischen der sexsüchtigen Kerstin und der eher zaudernden Monika, irgendwann im Bad dann noch die Tochter Sonja, der wird hier schnell und leicht und unmoralisch bedient. Den Social-Beats ergeht es, nach wie vor, so ähnlich wie den Punks: Der Wechsel in andere Gattungen fällt schwer. Unklar bleibt, ob das daran liegt, dass einige zwar den Wechsel von Asphalt-Gedicht hin zum Roman anstreben, nicht aber den zu einem anderen Erzählton oder auch endlich anderen Themen, oder ob sie in den immer-gleichen Milieus rumkrebsen, weil sie außerhalb des etablierten Literaturgewerbes nach wie vor so wie Halbstarke leben müssen – und so keine neue Themen kennenlernen.
Matthias Penzel,
Rolling Stone, Juli, 2006 – 99

Immergeil
Hartmuth Malorny aus Dortmund schreibt gern unterschiedliche Genres. Nach coolen Gedichtbänden, der Trinkerchronik Noch ein Bier, Harry?, jetzt der Sex-Roman: Wendekreis der U-Bahn. Ein Krimi soll folgen: Tod in Thailand. Malornys Sex-Roman spielt zur Hauptsache in Dortmund. Dort kennt der Autor sich aus, steuerte er als Angestellter der Verkehrsbetriebe doch jahrelang eine Straßenbahn durch diese Stadt. Sein Protagonist Harald verdient sein Geld als Bahnsteigreiniger. Das Besondere an ihm: Er kann immer, will immer und kriegt auch immer. Schließlich ist er der Held eines Sex-Romans. Dieses Genre existiert bisher eigentlich nicht außer in der Pornobranche. Nun macht die Malorny-Lektüre allerdings, und das ist seltsam, keineswegs geil. Und das trotz genauester Details. Romanschriftsteller, das wissen wir seit Platon, sind notorische Lügner. Und so entspringt Bahnsteigreiniger Harry mit seiner unglaublichen sexuellen Performance eher einer Wunschfantasie und einer Absicht des Autors als der Realität. Hartmuth Malorny lässt seinen Held Harald mit unbegrenzter Erektionsfähigkeit jedoch in einem realistischen Umfeld agieren. Er schildert mit seltsamer Unterkühltheit dessen heiße Abenteuer. Die lesen sich angenehm, man fühlt sich gut unterhalten. Die Lektüre von mehr als drei Kapiteln am Tag allerdings dürfte ungesund sein, um nicht zu sagen: langweilig. Heute weiß jeder und weiß jede, dass Sex mehr eine Plage ist als ein Genuss. Anders lautende Meinungen stammen von Henry Miller oder von Leuten, die nie genug gekriegt haben. Trotzdem ist dieser Schundroman von diesem Malorny hochgradig lesenswert. Ein bisschen wie der frühe Genazino mit seinem Abschaffel, aber niveauloser und subversiver.
Daniel Dubbe
TIP-Magazin 7/2006